Die Anfänge im 18. Jahrhundert
Die Geschichte der Alten Dorfkirche Berlin-Zehlendorf beginnt in der Mitte des 18. Jahrhunderts. Im Jahr 1768 wurde der Grundstein für das barocke Gotteshaus gelegt, das bis heute den historischen Ortskern von Zehlendorf prägt. Die Errichtung der Kirche war Ausdruck des wachsenden Selbstbewusstseins der Dorfgemeinde und ihrer Bedeutung in der Region.
Vor dem Bau der jetzigen Kirche stand an gleicher Stelle eine mittelalterliche Feldsteinkirche, die den Anforderungen der wachsenden Gemeinde nicht mehr genügte. Die alte Kirche war baufällig geworden, und die Gemeinde beschloss, einen Neubau zu errichten. Dieser sollte nicht nur größer sein, sondern auch dem Zeitgeschmack des Barock entsprechen – eine repräsentative Kirche für ein aufstrebendes Dorf.
Die Bauzeit erstreckte sich über mehrere Jahre. Wie bei allen großen Bauprojekten jener Zeit waren die finanziellen und organisatorischen Herausforderungen beträchtlich. Die Gemeinde musste Geld sammeln, Materialien beschaffen und Handwerker finden. Trotz aller Schwierigkeiten wurde das Projekt erfolgreich abgeschlossen, und die neue Kirche konnte 1768 geweiht werden.
Der Bau folgte den Prinzipien der barocken Architektur, wie sie in Brandenburg-Preußen üblich waren. Ein rechteckiger Grundriss mit hohen Rundbogenfenstern, ein schlichter Außenbau mit gegliederter Fassade und ein Innenraum, der Licht und Weite betont – diese Elemente charakterisieren die Kirche bis heute. Die Architektur verbindet Funktionalität mit repräsentativer Würde.
Die kirchliche und weltliche Bedeutung
Im 18. Jahrhundert war die Kirche nicht nur ein religiöses Zentrum, sondern auch ein wichtiger sozialer Treffpunkt. Die Sonntagsgottesdienste brachten die gesamte Dorfbevölkerung zusammen. Hier wurden nicht nur geistliche, sondern auch weltliche Angelegenheiten besprochen. Die Kirche war ein Ort der Gemeinschaft, der Integration und der sozialen Kontrolle.
Die Kirchengemeinde war eng mit der weltlichen Verwaltung verknüpft. Der Pfarrer war oft die gebildetste Person im Dorf und spielte eine wichtige Rolle nicht nur in religiösen, sondern auch in administrativen und pädagogischen Fragen. Die Kirchenbücher, die Taufen, Trauungen und Beerdigungen dokumentierten, waren zugleich die wichtigsten demographischen Aufzeichnungen der Zeit.
Zehlendorf gehörte damals zum Königreich Preußen und unterstand der Aufsicht der brandenburgischen Kirchenleitung. Die religiöse Ausrichtung war protestantisch-lutherisch, wie in den meisten Teilen Brandenburgs. Der preußische Staat förderte den Kirchenbau, da gut organisierte Kirchengemeinden als stabilisierender Faktor in der Gesellschaft galten.
Das 19. Jahrhundert: Wachstum und Veränderung
Das 19. Jahrhundert brachte tiefgreifende Veränderungen für Zehlendorf und seine Kirche. Mit der Industrialisierung und der verbesserten Verkehrsanbindung an Berlin wuchs die Bevölkerung stetig. Aus dem kleinen Dorf wurde allmählich ein größerer Ort mit vorstädtischem Charakter. Diese Entwicklung stellte auch die Kirchengemeinde vor neue Herausforderungen.
Die Alte Dorfkirche wurde für die wachsende Gemeinde zu klein. Zusätzliche Gottesdienste mussten angeboten werden, und es wurde über einen Erweiterungsbau diskutiert. Letztlich entschied man sich jedoch, die alte Kirche in ihrem ursprünglichen Zustand zu belassen und stattdessen in anderen Teilen Zehlendorfs neue Kirchen zu errichten. So entstand im späten 19. Jahrhundert die Paulus-Kirche, die größere Gemeinde übernahm.
Trotz dieser Entwicklung blieb die Alte Dorfkirche ein wichtiger Ort für die Gemeinde. Besonders für Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen wurde sie weiterhin gerne genutzt. Ihre intimere Größe und ihr historischer Charakter machten sie zu einem bevorzugten Ort für persönliche Feiern. Diese Funktion hat sie bis heute bewahrt.
Im 19. Jahrhundert erfolgten auch einige Renovierungen und Modernisierungen. Die Innenausstattung wurde teilweise erneuert, die Orgel wurde überholt oder ersetzt, und technische Neuerungen wie Gasbeleuchtung wurden eingeführt. Diese Maßnahmen zeigen, dass die Kirche trotz ihres Alters ein lebendiger, sich entwickelnder Ort blieb.
Die Weltkriege und ihre Folgen
Das 20. Jahrhundert brachte mit den beiden Weltkriegen schwere Zeiten für Deutschland und auch für Zehlendorf. Der Erste Weltkrieg forderte viele Opfer auch aus der Gemeinde. Die Namen der Gefallenen wurden auf Gedenktafeln festgehalten – stumme Zeugen einer Tragödie, die auch das Dorfleben tief erschütterte.
Die Zwischenkriegszeit war geprägt von wirtschaftlichen Schwierigkeiten und politischen Spannungen. Die Kirche versuchte, ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden und den Menschen in schwierigen Zeiten Halt zu geben. Die Armenfürsorge und andere soziale Aktivitäten der Gemeinde gewannen an Bedeutung.
Der Zweite Weltkrieg hinterließ auch in Zehlendorf seine Spuren. Obwohl die Alte Dorfkirche die Kriegszeit relativ unbeschadet überstand, litten die Menschen unter Bombardierungen, Evakuierungen und den Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit. Viele Gemeindemitglieder fielen an der Front oder kamen bei Luftangriffen ums Leben. Die Kirche war in dieser Zeit ein Ort des Trostes und der Hoffnung.
Nach Kriegsende 1945 fand sich Zehlendorf im amerikanischen Sektor von Berlin wieder. Die Teilung der Stadt hatte auch Auswirkungen auf das kirchliche Leben. Die Verbindungen zur ostdeutschen Kirchenleitung wurden schwieriger, und neue Strukturen mussten geschaffen werden. Trotz dieser Herausforderungen blieb die Kirchengemeinde aktiv und lebendig.
Die Zeit der Teilung und Wiedervereinigung
Während der Teilung Berlins lag Zehlendorf im Westteil der Stadt. Die Alte Dorfkirche blieb ein Zentrum der evangelischen Gemeinde und ein Ort, an dem trotz aller politischen Wirren das kirchliche Leben weiterging. Die Mauer, die ab 1961 Berlin teilte, war eine ständige Erinnerung an die Teilung, hatte aber auf das unmittelbare kirchliche Leben in Zehlendorf keine direkten Auswirkungen.
Die 1960er und 1970er Jahre waren eine Zeit gesellschaftlicher Umbrüche. Die Säkularisierung schritt voran, und die Kirchen sahen sich mit rückläufigen Gottesdienstbesucherzahlen konfrontiert. Gleichzeitig öffneten sich die Kirchen neuen Fragen – Friedensengagement, Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit. Die Alte Dorfkirche beteiligte sich an diesen Diskussionen und versuchte, relevant zu bleiben.
Die Wiedervereinigung 1989/90 war auch für die Kirchengemeinde ein bedeutendes Ereignis. Die Freude über die wiedererlangte Einheit Deutschlands und Berlins war groß. Die Alte Dorfkirche wurde zu einem Ort, an dem die Wiedervereinigung mit Dankgottesdiensten gefeiert wurde. Die neuen Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Gemeinden im Ostteil der Stadt wurden begrüßt.
Sanierungen und Restaurierungen
Im Laufe ihrer Geschichte hat die Alte Dorfkirche mehrere Sanierungen und Restaurierungen erlebt. Jede Generation musste sich um den Erhalt des Gebäudes kümmern und Anpassungen an veränderte Bedürfnisse vornehmen. Diese kontinuierliche Pflege ist der Grund dafür, dass das Gebäude 250 Jahre überdauert hat.
Größere Renovierungen fanden unter anderem im 19. Jahrhundert statt, als die Innenausstattung modernisiert wurde. Im 20. Jahrhundert waren mehrfach Arbeiten am Dach, an der Fassade und an den Fundamenten notwendig. Diese Maßnahmen wurden teilweise aus Eigenmitteln der Gemeinde, teilweise mit Hilfe von Zuschüssen der Denkmalpflege finanziert.
Die aktuelle Sanierung, die der Förderverein Alte Dorfkirche e.V. koordiniert, ist die umfassendste seit langem. Sie berücksichtigt moderne denkmalpflegerische Standards und zielt darauf ab, das Gebäude für die kommenden Jahrzehnte zu sichern. Die drei Hauptprojekte – Kirchensanierung, Altarraum und Kirchhof – zeigen den Umfang dieser Bemühungen.
Die Orgel: Geschichte und Bedeutung
Ein besonderes Kapitel der Kirchengeschichte ist die Geschichte der Orgel. Das erste Instrument wurde vermutlich im späten 18. Jahrhundert eingebaut. Im Laufe der Zeit wurde die Orgel mehrfach erneuert, erweitert oder ersetzt. Jede dieser Veränderungen spiegelt auch Wandlungen im musikalischen Geschmack und in den technischen Möglichkeiten wider.
Die aktuelle Orgel stammt aus dem 19. Jahrhundert und ist ein wertvolles historisches Instrument. Sie hat einen charakteristischen Klang, der für romantische Orgeln typisch ist. Das Instrument wird für Gottesdienste, Konzerte und die Ausbildung junger Organisten genutzt. Die Pflege und Wartung der Orgel erfordert spezialisiertes Fachwissen.
Orgelkonzerte haben in der Alten Dorfkirche eine lange Tradition. Renommierte Organisten sind hier aufgetreten, und die hervorragende Akustik macht die Kirche zu einem beliebten Veranstaltungsort für Orgelmusik. Diese Konzerte tragen nicht nur zur kulturellen Bereicherung bei, sondern machen auch einem breiteren Publikum die Schönheit der Kirche zugänglich.
Berühmte Pfarrer und Gemeindeglieder
Im Laufe ihrer Geschichte hatte die Alte Dorfkirche viele Pfarrer, von denen einige besondere Spuren hinterlassen haben. Ihre Namen sind in den Kirchenbüchern verzeichnet, und manche von ihnen werden noch heute in der Gemeinde erinnert. Sie prägten das kirchliche Leben, engagierten sich sozial und waren wichtige Persönlichkeiten im Dorfleben.
Auch unter den Gemeindegliedern finden sich bemerkenswerte Persönlichkeiten. Auf dem Kirchhof sind Menschen begraben, die das Gesicht Zehlendorfs geprägt haben – Handwerker, Kaufleute, Künstler, Beamte. Ihre Grabmale erzählen Geschichten von Leben und Wirken in vergangenen Zeiten.
Einige dieser Persönlichkeiten sind über Zehlendorf hinaus bekannt geworden. Ihre Verbindung zur Alten Dorfkirche ist Teil der lokalen Geschichte und wird in Führungen und Publikationen des Fördervereins gewürdigt. Diese personelle Dimension macht Geschichte lebendig und greifbar.
Die Kirche als Kulturdenkmal
Im 20. Jahrhundert wurde zunehmend erkannt, dass die Alte Dorfkirche nicht nur ein funktionales Gebäude, sondern auch ein wertvolles Kulturdenkmal ist. Die Unterschutzstellung als Baudenkmal sichert ihren Erhalt und stellt gleichzeitig Anforderungen an jede bauliche Veränderung. Alle Maßnahmen müssen mit der Denkmalpflege abgestimmt werden.
Diese Anerkennung als Kulturdenkmal hat auch die Wahrnehmung der Kirche verändert. Sie wird nicht mehr nur als Gotteshaus gesehen, sondern auch als Teil des kulturellen Erbes. Diese Doppelfunktion bringt Chancen und Herausforderungen mit sich. Die Kirche muss beiden Aufgaben gerecht werden – als Ort des Gottesdienstes und als Denkmal.
Der Kirchhof wurde als Gartendenkmal unter Schutz gestellt – eine Anerkennung seiner Bedeutung als historische Begräbnisstätte und als gestaltetes Landschaftselement. Die Auszeichnung als „Denkmal des Monats“ im September 2020 unterstreicht diese besondere Stellung.
Die Rolle im heutigen Zehlendorf
Heute ist Zehlendorf ein gutbürgerlicher Stadtteil im Südwesten Berlins. Die Alte Dorfkirche liegt im historischen Kern und ist ein Anker der lokalen Identität. Viele Zehlendorfer haben eine persönliche Beziehung zur Kirche – sei es durch Familienereignisse, die hier gefeiert wurden, oder durch regelmäßige Gottesdienstbesuche.
Die Kirche ist aber mehr als ein Ort für die Stammgemeinde. Sie ist offen für alle Menschen, die Stille suchen, die Kultur erleben wollen oder einfach die historische Atmosphäre genießen möchten. Die vielfältigen Veranstaltungen – von Gottesdiensten über Konzerte bis zu Ausstellungen – machen die Kirche zu einem lebendigen Teil des Stadtteils.
Die Zusammenarbeit mit der Evangelischen Paulus-Kirchengemeinde Berlin-Zehlendorf, zu der die Alte Dorfkirche gehört, ist eng und fruchtbar. Die größere Paulus-Kirche und die kleinere Alte Dorfkirche ergänzen sich in ihren Funktionen. Diese Synergie ist ein Erfolgsmodell, das beiden Kirchen zugutekommt.
Der Förderverein und die Zukunft
Die Gründung des Fördervereins Alte Dorfkirche e.V. war ein wichtiger Schritt für die Zukunftssicherung der Kirche. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, die notwendigen Mittel für die Sanierung zu sammeln und die Öffentlichkeit für die Bedeutung des Kulturdenkmals zu sensibilisieren. Die breite Unterstützung, die der Verein erfährt, zeigt, dass die Alte Dorfkirche vielen Menschen am Herzen liegt.
Die Schirmherrschaft von Dr. Eckart von Hirschhausen und Bischof a. D. Prof. Dr. Wolfgang Huber sowie das Engagement der Beiräte Dr. Katja Blomberg, Stephan-Andreas Casdorff und Kara Huber haben dem Projekt zusätzliche Sichtbarkeit verschafft. Diese prominente Unterstützung hilft, die notwendigen Mittel einzuwerben und das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung des Denkmalschutzes zu schärfen.
Die Zukunft der Alten Dorfkirche hängt von der kontinuierlichen Pflege und dem Engagement vieler Menschen ab. Die aktuelle Sanierung ist ein wichtiger Schritt, aber die Arbeit endet damit nicht. Regelmäßige Wartung, behutsame Nutzung und die Bereitschaft, in dieses Kulturdenkmal zu investieren, sind notwendig, um es für kommende Generationen zu erhalten.
Ausblick: Das Jubiläumsjahr
Das 250-jährige Jubiläum der Alten Dorfkirche ist Anlass für Feierlichkeiten und Besinnung. Es bietet die Gelegenheit, zurückzublicken auf eine bewegte Geschichte und vorauszu schauen auf die Herausforderungen der Zukunft. Das Jubiläum soll kein einmaliges Ereignis sein, sondern der Auftakt zu einer Phase verstärkten öffentlichen Interesses und Engagements.
Geplant sind verschiedene Veranstaltungen: Festgottesdienste, Konzerte, Vorträge zur Geschichte der Kirche und des Stadtteils, Führungen und ein Tag der offenen Tür. Diese Veranstaltungen sollen die Bedeutung der Kirche hervorheben und möglichst viele Menschen für ihre Erhaltung gewinnen. Das Jubiläum ist auch eine Gelegenheit, Danke zu sagen – allen Spendern, Ehrenamtlichen und Unterstützern.
Die Geschichte der Alten Dorfkirche ist eine Geschichte von Kontinuität und Wandel, von Bewahrung und Erneuerung. Sie zeigt, dass ein Gebäude mehr ist als Stein und Mörtel – es ist ein Träger von Erinnerungen, ein Ort der Gemeinschaft und ein Symbol für Werte, die über die Zeit hinaus Bestand haben. Die Alte Dorfkirche verdient es, auch in Zukunft ein lebendiger Teil Zehlendorfs zu sein.
Weitere Informationen zur Geschichte finden Sie auf den Seiten Theologische Gedanken zur ADK und Der Alte Dorfkirchhof. Über die aktuellen Sanierungsprojekte informieren wir auf der Seite Alle Projekte im Überblick.
Kontakt:
Förderverein Alte Dorfkirche e.V.
Teltower Damm 6
14169 Berlin-Zehlendorf
E-Mail: [email protected]