Der Alte Dorfkirchhof Zehlendorf

Auszug aus „Der historische Friedhof in Berlin“ von Dr. Clemens-G. Szamatolski

Der folgende Text ist ein Auszug aus „Der historische Friedhof in Berlin“ von Dr. Clemens-G. Szamatolski, herausgegeben vom Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Abt. III, Natur – Landschaft – Grün, Berlin 1985

 

Zehlendorf war damals [im 13. Jahrhundert] ein typisches Anger-Dorf, bestehend aus einem Lehnschulzengut, einem Erbkruggut, 12 Bauerngütem,4 Kossätengütern. (…) Die ursprüngliche Kirche wurde vermutlich zur Zeit der Dorfgründung Anfang des 13. Jahrhunderts gebaut und selbstverständlich von einem Kirchhof umgeben (…) Auf dem gleichzeitig mit der Kirche angelegten Kirchhof erhielt jeder Bauer und jeder Kossäte eine Ruhestätte für seine Familie. (…)

 

Bei dem Begräbnisort an der Dorfkirche handelt es sich tatsächlich um einen Kirchhof im eigentlichen Sinne, der zusammen mit dem Bau der Kirche entstand und auf dem jedes Gemeindemitglied einen eigenen Platz für die Beisetzung seiner Familienangehörigen zugeteilt bekam. Der älteste Teil des Kirchhofes ist der Bereich direkt um die Kirche; dennoch sind von den ersten Jahrhunderten seiner Existenz keine Zeugen in Form von Grabsteinen mehr vorhanden.

 

Der nördliche Teil des Kirchhofes (…) wurde im 19. Jahrhundert auch als Begräbnisplatz genutzt. Bei sehr alten Bewohnern von Zehlendorf ist er heute noch als „Franzosen-Friedhof“ bekannt, da hier in den Jahren 1806-1813 vornehmlich gefallene Franzosen beigesetzt worden sind. Dieser Teil war von den anderen durch eine Hecke abgeschirmt. Da hauptsächlich Holzkreuze in diesem Teil errichtet wurden, sind heute hier keine Grabdenkmäler mehr vorhanden. Später wurde dieser nördliche Teil als Gemeindefriedhof genutzt, was zur Folge hatte, dass die Gemeinde der Kirche den an der westlichen Mauer entlangführenden Streifen abkaufte, um einen Zugang zu ihrem Friedhofsteil zu erhalten.

 

Als der Gemeindefriedhof an der Onkel-Tom-Straße im Jahre 1872 eröffnet wurde, schloss man den nördlichen Teil des Kirchhofes; schließlich wurde im Jahre 1894 der gesamte Kirchhof für weitere Begräbnisse geschlossen. Lediglich den Inhabern von Erbbegräbnissen war es noch gestattet, diese für Begräbnisse zu nutzen; das waren im Jahre 1930 immerhin noch 30 Gräber. (…)

 

Der nördliche Teil des Areals ist schon lange nicht mehr als Kirchhof zu erkennen. Auf der westlichen Hälfte des nördlichen Teiles hat es über viele Jahre eine Kleingartenanlage gegeben und der Umstand, dass auf dem alten Zehlendorfer Dorfkirchhof lange keine Beisetzungen mehr vorgenommen wurden, hat auch den südlichen Teil immer mehr seine Struktur verlieren lassen. (…) Der älteste noch vorhandene Grabstein ist der des Peter Pasewald aus dem Jahre 1803. Der jüngste heute noch vorhandene Grabstein ist aus dem Jahre 1925.

 

Das tatsächliche Alter der einzelnen Begräbnisstellen lässt sich daran erkennen, dass Namen wie ,,Zinnow“, ,,Haupt“ oder ,,Pasewald“ auf den Grabsteinen genannt werden, Namen, die in Verbindung mit der Zehlendorfer Geschichte schon zum Teil im 17. Jahrhundert von Bedeutung waren. (…)

 

Da, wie bereits erwähnt, auf dem Alten Zehlendorfer Dorfkirchhof heute keine Beisetzungen mehr vorgenommen werden, es weiterhin von den Personen, die auf den alten Erbbegräbnissen beigesetzt wurden, kaum noch Angehörige gibt, war das Areal zunehmend unbetreut und in einem entsprechenden Pflegezustand.

 

Es ist bemerkenswert, dass aus dem 18. und 19. Jahrhundert mehrere eiserne und gusseiserne Grabkreuze und Grabdenkmäler an ihrem ursprünglichen Standort erhalten sind. Der besondere Umstand, dass auf diesem Kirchhof im 20. Jahrhundert nur noch in Ausnahmefällen bestattet worden ist, hatte zur Folge, dass das gesamte Ensemble des Friedhofsbereiches einen nahezu geschlossenen Charakter von Begräbnisstätten aus dem 18. und 19. Jahrhundert aufweist, der durch wenige gartendenkmalpflegerische Maßnahmen weitgehend wiederhergestellt werden kann. Dies bedeutet, dass es zur Erhaltung der Ensemblewirkung in ihrer Gesamtheit unabdingbar notwendig ist, dass jedes Grabmal an seinem eigentlichen Standort belassen wird.

 

Wie die ursprünglichen Pflanzen des Kirchhofes zur Zeit seiner Gründung einmal ausgesehen haben, lässt sich nur mutmaßen. Jedoch sind aus dem 18. Jahrhundert nicht nur schriftliche Berichte, sondern sogar noch lebende Zeugen in Gestalt von drei alten Maulbeerbäumen vorhanden.

 

Diese sind nach einem von Friedrich II. erlassenen Edikt aus dem Jahre 1752 dann schließlich 1763 angepflanzt worden und zwar zunächst 80 Stück, die aber bald wieder abstarben. Erst als sich im Jahre 1793 ein sachkundiger Lehrer dieser Angelegenheit annahm, wurde eine Neupflanzung erfolgreich durchgeführt, so dass im Jahre 1791 insgesamt 28 Maulbeerbäume auf dem Dorfkirchhof standen. Im Jahre 1803, also in der Zeit, aus welcher der älteste Grabstein stammt, waren es bereits 30 Bäume.

 

1938 sind fünf davon noch in einem Plan als Naturdenkmal verzeichnet; 1964 waren es noch vier und heute zählt man lediglich drei der ausgewachsenen Exemplare. (…) Dieses Anpflanzen von Maulbeerbäumen auf dem Alten Dorfkirchhof Zehlendorf ist deshalb besonders bemerkenswert, weil an anderer Stelle in Berlin sich die Kirchenverwaltungen bzw. die örtlichen Pfarrer gegen das Edikt Friedrichs des Großen erfolgreich sperrten (so zum Beispiel auf dem Friedhof der Jerusalems- und Neuen Kirche am Halleschen Tor).