Die Geschichte der Alten Dorfkirche

Von Dr. Eckard Siedke

Um die Geschichte der Dorfkirche Zehlendorf, der Alten Dorfkirche wie sie genannt wird, zu berichten, muss zuerst ein wichtiges Detail aus der Geschichte des Dorfes erwähnt werden.

Baugeschichte und Legende

Im 13. Jahrhundert war das Dorf Eigentum des Klosters Lehnin. Es ging nach Säkularisierung in das Eigentum der brandenburgischen Landesherren über und wurde dann von Berlin beziehungsweise Potsdam aus verwaltet. Also gab es hier keinen adligen Grundherrn. Kirchenpatron war der König. Dieser hatte für den Erhalt und die Ausschmückung eines offenbar vorhandenen Kirchengebäudes zu sorgen. Die Existenz eines Kirchengebäudes vor 1768 ist durch Reparaturrechnungen im kirchlichen Landesarchiv nachweisbar (siehe hierzu eine Arbeit von Volker Mende im Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte 2013, S. 59-86). Zum Beispiel war im Rechnungsjahr 1751/52 eine Dachreparatur notwendig.
In der erwähnten Arbeit von Mende wird auch die von vielen Zehlendorfer Schülern gelernte und vielen Zehlendorfern bekannte Überlieferung aus den Aufzeichnungen Schädes widerlegt. Ernst Ferdinand Schäde, Küster und Schullehrer in Zehlendorf, schrieb in der „Geschichte des Dorfes Zehlendorf“ im Jahr 1835:

„König Friedrich der 2te, der hier oft durchreisete, wollte zur besonderen Zierde des Dorfes eine schöne Kirche und Thurm erbauen lassen und bestimmte dazu außer dem freien Holze 6000 Thaler, die Fuhren musste die Gemeinde unentgeltlich leisten. Dem Bau leitenden Conducteur wurden als Vorschuß 3000 Thaler ausgezahlt, und dieser lässt sich gelüsten mit diesem Gelde davon zu gehen. Von dem übrigen Gelde wird, so weit es zu reichen will die jetzige Kirche mit einem kleinen Thurm darauf erbaut, der aber, weil er zu leicht gebaut war, nach 20 Jahren wieder abgetragen werden musste.“ Zitiert nach Heft 4/84 der Schriftenreihe des Heimatvereins Zehlendorf „Zehlendorfer Chronik“.

In dem Standardwerk von Paul Kunzendorf (1853-1923) „Zehlendorf – Einst und jetzt“ findet sich sogar der Hinweis, dass der König das Geld aus seiner Privatschatulle gegeben habe. Die sehr ausführlichen Recherchen durch den Historiker Mende zur Baugeschichte ergaben, dass keine Zahlung Friedrichs II. dokumentiert ist.

Die Baumaßnahmen um 1768

Die Schatullakten des Königs sind zum Beispiel auch im Internet nachzulesen. Für den Neubau der Kirche von 1768 wurden allerdings Zahlungen der „Kriegs- und Domänenkammer“ geleistet, das heißt die königliche Regierung als Kirchenpatron sorgte für den Bau einer angemessenen Kirche. Es lässt sich zur Zeit nur darüber spekulieren, wer den Entwurf für die Kirche gezeichnet hat. In der Arbeit von  Volker Mende sind einige Hinweise zu finden. Der Bau wurde durch einen Spandauer Maurermeister ausgeführt.

Ohne auf den Streit um das freie Bauholz einzugehen lässt sich durch Holzuntersuchungen im Dachstuhl der Kirche feststellen, dass die Bäume für die ältesten Hölzer schon 1764/65 gefällt wurden. Die Dachkonstruktion zeigt auch, dass es einen kleinen Turm anstelle der Spitze des zeltförmigen Daches gegeben haben muss. Aus diesen und anderen Hinweisen ist die Jahreszahl 1768 in der Wetterfahne auf der Dachspitze als richtiges Erbauungsjahr der achteckigen kleinen Kirche anzunehmen.

Die Dorfkirche nach 1905

Die Kirche war bis 1905 die einzige evangelische Kirche Zehlendorfs. Die Einwohnerzahl des Dorfes war aber gewaltig angestiegen, denn viele Berliner zogen ins Umland, um Ruhe und frische Luft genießen zu können. Die sogenannte Stamm-Bahn verband seit 1838 Berlin mit Potsdam und hatte eine Station in Zehlendorf. Berlin war also gut und leicht erreichbar.

Die achteckige Kirche war für die vielen Zehlendorfer zu klein und es wurde eine neue Kirche, die heutige Pauluskirche gebaut. Die kleine Dorfkirche, nunmehr die alte Kirche genannt, wurde anders genutzt. Durch eingezogene Wände schuf man einzelne Zimmer und einen kleinen Saal. Vermutlich wurde auch der Kircheneingang verlegt, denn die Anordnung des Altars nach Osten war nun nicht mehr nötig. Seit 1912 konnte das Gebäude als Gemeindehaus genutzt werden.

Das Kirchlein neben Pauluskirche und Gemeindehaus

Durch den Neubau des evangelischen Gemeindehauses am Teltower Damm und seine Nutzung seit 1930 wurden die Räume der kleinen Kirche für Vermietungen frei. Auch Mädchengruppen der damaligen Hitler-Jugend mieteten die Räume für ihre Treffen wie Christfried Tschepe in seinem Beitrag  „Die Zehlendorfer Dorfkirche von 1768“ schreibt. Erschienen ist der Beitrag als Teil II im Heft 5/87 der Schriftenreihe des Heimatvereins Zehlendorf „Zehlendorfer Chronik“.

Die Recherchen von Tschepe förderten auch eine lange vergessene Umbauplanung aus den Jahren nach 1936 zu Tage: Der Gemeindekirchenrat hatte beschlossen, „die alte Dorfkirche in Zehlendorf wieder für Abendgottesdienste und Amtshandlungen in Betrieb zu nehmen“. Der Umbau und der Anbau konnten erst 1939 begonnen werden und wurden bald kriegsbedingt eingestellt. Erst 1942 konnten das Dach repariert und der neue Anbau notdürftig eingedeckt werden. Der Außenputz war entfernt und der vollständig entkernte Innenraum wurde vom Bezirksamt als Lagerraum genutzt.

Der Verfall nach 1945 und die Wiedereröffnung 1953

Auch nach Kriegsende 1945 diente die Kirche dem Bezirksamt als Lager für dringend benötigte Baumaterialien. Der damalige Konservator der Stadt Berlin, Prof. Hinnerk Scheper (1897-1957), brachte den Nachweis , dass die Kirche zu den erhaltenswerten Baudenkmälern gehörte, was aber wegen der Finanznot des damaligen Magistrats  nicht zu einer erhofften Geldzuwendung führte. Das ungenutzte Gebäude verfiel und wegen des ruinösen Aussehens wurde allgemein angenommen, dass Kriegsschäden diesen Zustand herbeigeführt hatten.

Im Jahr 1951 wurde in der Gemeinde eine große Spendenkampagne begonnen, an deren Ende, zusammen mit Finanzmitteln der evangelischen Landeskirche, wenigstens das Geld für die Dachreparatur zusammenkam. Erst 1953 wurde der endgültige Wiederaufbau möglich. Der Innenraum wurde sehr schlicht gestaltet und sollte nach den Worten von Prof. Scheper „den sehr gehaltenen, sachlich-kühlen Stil des späten Berliner Barock“ erlebbar machen.

Am 29. November 1953, dem 1. Adventssonntag, weihte die Gemeinde die Kirche mit einem Festgottesdienst wieder ein. In den Jahren 1978/79 fand eine umfangreiche Renovierung statt.  Der Außenputz wurde erneuert und die Kirche erhielt außen und innen die heutige Farbfassung.